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Verstehen Studierende Aufgabenstellungen so, wie wir sie meinen? Das Verständnis der Anforderungen beim Lesen mehrerer Texte zu einem Thema

Wahrscheinlich hat jede:r Lehrende schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Aufgabenstellungen nicht von allen Studierenden oder Schüler:innen so verstanden werden, wie sie gemeint waren. Vor allem, wenn es um komplexere Aufgaben geht, bei denen verschiedene Texte zu einem Thema gelesen und in Beziehung zueinander verstanden werden müssen, kann das zur Herausforderung werden.

In dieser Studie wurde untersucht, ob es Studierenden bei solchen Aufgaben bewusst ist, welche Strategien sie zum Verstehen mehrerer Texte zu einem Thema anwenden sollen und ob sie diese dann auch tatsächlich beim Lesen der Texte umsetzen. In Kürze: Eine Mehrheit wenn auch lange nicht alle der Studierenden erkennt, dass beim Lesen mehrerer Texte auch spezifische Strategien nötig sind. Dies schlägt sich jedoch nicht in der Anwendung dieser Strategien oder in einer besseren Leistung nieder. Jedoch gibt es Verbesserungen über mehrere Aufgaben hinweg.

Tisch mit verschiedenen Materialien ©PxHere
Ziele und Fragestellungen der Studie

Die Grundidee dieser Studie ist, dass auch eine Aufgabe verstanden werden muss. Nicht jede:r erfasst auf die gleiche Weise, was bei einer Aufgabe gefordert wird. Genauso wie es ein Textverständnis gibt, gibt es also auch ein Aufgabenverständnis. Es liegt nahe, dass verschiedene Studierende und Schüler:innen die Anforderungen bei einer Aufgabe unterschiedlich wahrnehmen und sich das schließlich darauf auswirkt, wie eine Aufgabe bearbeitet wird.

In dieser Studie wurde das anhand einer aktuell sehr relevanten Fähigkeit untersucht, nämlich des Textverstehens mehrerer Dokumente. Wenn man sich beispielsweise im Internet über Themen informieren will oder sich als Student:in oder Schüler:in auf ein Referat oder eine Hausarbeit vorbereitet, stößt man unweigerlich auf mehrere Texte zum gleichen Thema. Dann ist es wichtig, nicht nur die Texte einzeln zu verstehen, sondern diese auch in Beziehung zueinander zu setzen.

Die Frage in dieser Studie war nun, ob Studierenden diese Anforderung auch bewusst ist. Neben der Frage, ob sie diese Anforderung benennen können wurde auch untersucht, ob sich das auch darin zeigt, wie Studierende beim Lesen von mehreren Texten vorgehen und wie gut sie letztendlich die Texte im Zusammenhang zueinander verstehen.

Methodik
Laptop mit Buch ©pixabay

An dieser Studie haben insgesamt 310 Studierende teilgenommen. Es wurde ein computerbasierter Test zum Verstehen mehrerer Textdokumente durchgeführt, in dem die Teilnehmenden jeweils drei Teile mit Themen aus unterschiedlichen Bereichen durchliefen. Jeder Teil enthielt mehrere Texte, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und für die eine Leseaufgabe vorgegeben wurde (z.B. so lesen, also ob ein Referat dazu gehalten werden müsste). In jedem Teil wurden Fragen gestellt, die erfassen, wie gut die Texte verstanden wurden, und die nur richtig gelöst werden können, wenn die Informationen aus mehreren Texten verknüpft werden. Außerdem wurde das Verhalten der Studierenden auf der Basis ihrer Bewegungen in der Testumgebung (z.B. durch Klicks) aufgezeichnet, um angewandte Strategien zum Verstehen mehrerer Texte zu erfassen (z.B. Abgleich der Informationen zwischen den Texten). Außerdem wurden die Studierenden nach jedem Teil gebeten, die Anforderungen für die Leseaufgabe zu beschreiben. Diese Antworten wurden daraufhin analysiert, welche Art von Anforderungen sie nannten, insbesondere, ob sie spezifische Anforderungen des Textverstehens mehrerer Dokumente nannten.

Ergebnisse

Es zeigte sich, dass die Studierenden die Anforderungen der Aufgaben mehrheitlich richtig verstanden haben (in ca. 60% der drei Testteile, die alle Teilnehmenden bearbeiteten). Sie wussten also, dass man Strategien zum Verstehen mehrerer Texte anwenden musste und nicht nur solche, die man für das Verständnis einzelner Texte braucht. Jedoch führte das Wissen darüber nicht unbedingt dazu, dass diese Strategien auch eingesetzt wurden, und auch nicht zu besseren Leistungen im Test. Allerdings lernten die Studierenden über die Zeit hinweg, was von ihnen gefordert war; das heißt, in den späteren Teilen des Tests wurden häufiger Strategien zum Verständnis mehrerer Texte als Aufgabenanforderungen erkannt und auch mehr eingesetzt. Interessant war außerdem, dass Studierende besser im Test abschnitten, wenn sie Strategien zum tieferen Verständnis einzelner Texte als Aufgabenanforderung wahrgenommen haben.


Relevanz der Ergebnisse

Durch diese Untersuchung wird deutlich, dass in Bildungseinrichtungen ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden soll, dass Studierende und Schüler:innen Aufgaben richtig erfassen und die Anforderungen dann auch tatsächlich in entsprechendes Verhalten umsetzen. Vor allem Personen, die sich beim Lesen mehrerer Texte schwertun, könnten von einer expliziten Besprechung der Aufgabenanforderungen und hilfreicher Strategien profitieren.

In der heutigen Zeit ist dies von großer Bedeutung. Im Internet wird man zu einem Thema meist mit zahlreichen, oft auch widersprüchlichen Informationen konfrontiert. Die Fähigkeit, daraus die richtigen Informationen herauszufiltern und zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzuführen, sollte daher bei Studierenden und Schüler:innen gefördert werden.


Die wissenschaftliche Publikation

Schoor, C., Rouet, J.-F., Artelt, C., Mahlow, N., Hahnel, C., Kroehne, U., & Goldhammer, F. (2021). Readers' perceived task demands and their relation to multiple document comprehension strategies and outcome. Learning and Individual Differences, 88, 102018. https://doi.org/10.1016/j.lindif.2021.102018


Das Projekt

Die Studie ist entstanden im Rahmen des Projekts MultiTex, das vom BMBF gefördert wurde.