Ergebnisse in einfachem Deutsch

Welche Rolle spielen Kontext und Widersprüche für das Verständnis mehrerer Dokumente?

Wir lesen mehrere Dokumente zum gleichen Thema in verschiedenen Kontexten. Für Studierende könnten das das Lesen für die Universität sein oder für persönliche Situationen. Gleichzeitig können sich mehrere Dokumente zum gleichen Thema auch widersprechen, was den Umgang mit mehreren Dokumenten anspruchsvoll macht.

In dieser Studie wurde untersucht, ob es für Studierende einen Unterschied macht, ob sie konsistente oder sich widersprechende Dokumente über populärwissenschaftliche Themen für einen universitären Kontext oder für einen persönlichen Kontext lesen und zusammenfassen. Zusätzlich wurde überprüft, ob dabei Einstellungen zu Wissenschaft eine Rolle spielen. Kurz zusammengefasst: Für einen universitären Kontext arbeiten Studierende den Stand der Dinge sowohl aus inhaltlicher als auch aus formaler Perspektive besser heraus. Einstellungen zu Wissenschaft hatten kaum einen Effekt.

Studentin mit Büchern in der Bibliothek
Ziele und Fragestellungen der Studie

Es ist bereits bekannt, dass widersprüchliche Informationen einen Herausforderung beim Lesen mehrerer Dokumente zum gleichen Thema ("multipler" Dokumente) darstellen. Umgekehrt hilft eine Diskrepanz aber auch dabei, multiple Dokumente besser zu repräsentieren, nämlich Inhalte und Quelle miteinander zu verknüpfen. Idealerweise baut man ein Verständnis davon auf, wer was sagt.

Methodik
Screenshot Aufgabe Uni-Kontext

An dieser Studie haben insgesamt 160 Studierende teilgenommen, die über mehrere populärwissenschaftliche Themen lesen und einen kurzen Text schreiben sollten. Jede:r Studierende hat dabei manche Themen in einer widerspruchsfreien Fassung bekommen und andere Themen, bei denen sich die beiden Texte widersprochen haben. Die Studierenden wurden zufällig einem von zwei Kontexten zugeteilt: Im universitären Kontext sollten sie sich vorstellen, dass sie die Texte im Rahmen eines Seminars lesen und zusammenfassen sollten. Ihr:e Professor:in würde die Texte lesen, und seine/ihre Meinung sei ihnen wichtig. Den Studierenden im persönlichen Kontext wurde gesagt, dass sie einen Podcast vorbereiten und dass ihr:e beste:r Freund:in ihnen Themen dafür vorgeschlagen hätte. Sie fassen die Texte nur für sich selbst zusammen.

Das Bearbeitungsverhalten der Studierenden (z.B. Zeiten, Textwechsel) und die Zusammenfassungen haben wir unter zwei Blickwinkeln mit jeweils mehreren Indikatoren analysiert: Der erste Blickwinkel war inhaltlicher Natur und umfasste verschiedene Indikatoren dafür, inwiefern die multiplen Dokumente gut verarbeitet wurden (z.B. Zeit auf den Texten, Textwechsel, Quellenzitation, Vergleiche). Der zweite Blickwinkel war formaler Natur und stellte die Frage, wie ordentlich die Präsentation der Inhalte war (Zeit auf der Aufgabenseite, Länge der Zusammenfassung, Form der Zusammenfassung).

Als Einstellungen zu Wissenschaft wurden Nützlichkeit von Wissenschaft und Vertrauen in Wissenschaft mit Fragebögen erfasst.


Ergebnisse

Es zeigte sich, dass Studierende im universitären Kontext sowohl inhaltlich als auch formal besser verarbeitete Zusammenfassungen abgaben. Zusätzlich spielte die Widersprüchlichkeit der Texte eine Rolle: Auch für widersprüchliche Texte (im Vergleich zu konsistenten Texten) lieferten die Studierenden inhaltlich und formal besser verarbeitete Zusammenfassungen. Diese beiden Effekte waren unabhängig voneinander, d.h. es gab keinen Interaktionseffekt von Kontext und Widersprüchlichkeit. Die Einstellungen zu Wissenschaft spielten größtenteils keine Rolle.


Relevanz der Ergebnisse

Durch diese Untersuchung wird deutlich, dass der Kontext eine Rolle dafür spielt, wie Studierende mit mehreren Dokumenten zum gleichen Thema umgehen. Studierende können sehr wohl für die Universität ein gutes Verständnis für multiple Dokumente entwickeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie diese Fähigkeit im persönlichen Kontext auch einsetzen. In der vorliegenden Studie war das nicht abhängig von den Einstellungen zu Wissenschaft, allerdings könnten andere Einstellungen dafür eine Rolle spielen, wie groß die Diskrepanz im Vorgehen zwischen dem universitären und persönlichen Kontext ist.


Die wissenschaftliche Publikation

Schoor, C., Rouet, J.-F., & Britt, M. A. (in press). Effects of context and discrepancy when reading multiple documents. Reading and Writing. https://doi.org/10.1007/s11145-022-10321-2 (Open Access)


Das Projekt

Die Studie ist entstanden im Rahmen des Projekts Contexts, das von der DFG gefördert wurde.