Ergebnisse in einfachem Deutsch
Wer heute etwas behauptet, rechtfertigt dies oft entweder mit wissenschaftlichen Befunden oder mit persönlicher Erfahrung. Das aktuelle Zeitalter von „Post-Truth“ ist unter anderem dadurch charakterisiert, dass die Rechtfertigung durch persönliche Erfahrungen einen Aufschwung erlebt. Will man dieses Phänomen wissenschaftlich untersuchen, indem man Überzeugungen in den Blick nimmt, bieten sich verschiedene Konstrukte an, die bereits mehr oder weniger stark beforscht wurden: Überzeugungen über die Nützlichkeit von Wissenschaft und von persönlichen Erfahrungen, Vertrauen in Wissenschaft und epistemische Überzeugungen, d.h. Überzeugungen über die Natur des Wissens.
Bisher ist wenig darüber bekannt, wie diese verschiedenen Konstrukte zusammenhängen. Darüber hinaus könnte auch Wissen eine Rolle spielen, genauer gesagt Wissen darüber, wie man wissenschaftlich arbeitet. Es war daher das Ziel der vorliegenden Studie, die Zusammenhänge zwischen Überzeugungen über die Nützlichkeit von Wissenschaft und von persönlichen Erfahrungen, Vertrauen in Wissenschaft, epistemischen Überzeugungen und Wissen über wissenschaftliches Vorgehen zu erkunden.
Es wurde eine papierbasierte Fragebogenstudie durchgeführt, an der 315 Studierende der Fächer Psychologie, Erziehungswissenschaft und Lehramt an der Universität Bamberg teilgenommen haben. Die Daten wurden vor der Corona-Pandemie am Ende verschiedener universitärer Lehrveranstaltungen erhoben. Dabei gaben die Studierenden ihre Zustimmung zu jeweils vier Aussagen zur Nützlichkeit von Wissenschaft und von persönlichen Erfahrungen und zu acht Aussagen über ihr Vertrauen in Wissenschaft und Wissenschaftler:innen an.
Außerdem gaben sie ihre Zustimmung zu 26 Aussagen zu epistemischen Überzeugungen an, die sich auf die folgenden fünf Teilbereiche bezogen:
Zur Erfassung von Wissen über wissenschaftliches Vorgehen bekamen die Studierenden neun kurze Szenarien vorgelegt, in denen sie jeweils aus vier Alternativen diejenige auswählen mussten, die am ehesten einem wissenschaftlichen Vorgehen entspricht. Themen waren hier beispielsweise das Kontrollgruppendesign einer Studie, Wahrscheinlichkeiten oder die Generalisierbarkeit von Ergebnissen. Für jede korrekte Lösung erhielten die Studierenden einen Punkt, es konnten also ingesamt 9 Punkte erreicht werden. Außerdem sollten die Studierenden angeben, welche Lehrveranstaltungen zu wissenschaftlichen Methoden sie bereits besucht hatten. Hieraus wurde die Anzahl besuchter Lehrveranstaltungen in die weitere Analyse mit aufgenommen.
Für die Analyse wurde ein latentes Modell spezifiziert, d.h. ein Modell, in dem für jedes Konstrukt ein latenter messfehlerbereinigter Wert errechnet wird, der dann mit den anderen latenten Werten korreliert wurde. Für Wissen über wissenschaftliches Vorgehen und die Anzahl der Lehrveranstaltungen wurde nur der jeweilige Summenwert (ohne Messfehlerbereinigung) aufgenommen.
Zum Zusammenhang der Überzeugungen ergaben sich eine Reihe interessanter Befunde:
Auch Wissen über wissenschaftliches Vorgehen war mit Überzeugungen korreliert. Wissen korrelierte ...
Die Anzahl von Methoden-Lehrveranstaltungen korrelierte – unter Kontrolle von Wissen – nur mit der wahrgenommenen Einfachheit von Wissen, und zwar negativ.
Die Ergebnisse zeigen, dass die verschiedenen Konstrukte zu wissenschaftsbezogenen Überzeugungen unterschiedliche Aspekte abdecken. Dies bedeutet, dass in weiteren Studien zu diesem Thema unter Umständen mehrere dieser Konstrukte einbezogen werden sollten; zumindest sollte überlegt werden, welches Konstrukt am besten in der Lage ist, die Fragestellung zu erfassen.
Weiter zeigen die Ergebnisse, dass manche normativ erwünschte Einstellungen sich gegenseitig zu widersprechen scheinen. Beispielsweise ist normativ sowohl ein hohes Vertrauen in Wissenschaft als auch eine eher skeptische Haltung gegenüber Autoritäten (als Rechtfertigung von Wissen) erwünscht – allerdings korrelieren diese beiden Konstrukte hoch miteinander. Dies ergibt jedoch auch Sinn vor dem Hintergrund, dass es sich bei Wissenschaftler:innen (denen vertraut werden soll) um Expert:innen und dementsprechend um Autoritäten handelt.
Die Befunde zum Zusammenhang von Wissen über wissenschaftliches Vorgehen und (erwünschten) Einstellungen gegenüber Wissenschaft sind ermutigend – geben sie doch Anlass zur Hoffnung, dass durch eine entsprechende Ausbildung auch positive Einstellungen gefördert werden könnten. Letzteres müsste allerdings zunächst in einer weiteren Studie überprüft werden.
Schoor, C. (in press). University students’ beliefs about science and their relationship with knowledge about science. European Journal of Psychology of Education. https://doi.org/10.1007/s10212-023-00724-2 (Open Access)
Die Studie ist entstanden im Rahmen des Projekts Contexts, das von der DFG gefördert wurde.